Samstag, 18. April 2009

Biologisch-Dynamisches an der BOKU – Keine Utopie mehr!

Die Geschichte des ökologischen Landbaus an der BOKU ist um eine Facette reicher geworden. Mit dem Vorlesungsseminar „933.001 Biologisch dynamischer Landbau“ im vergangenen Wintersemester findet diese Wirtschaftsweise erstmalig Eingang in die BOKU-Lehre. Gibt es bald die nächste Professur für biologisch-dynamische (bio-dyn) Landwirtschaft? (von Stephan Pabst)


Seit 1996 gibt es nun das Institut für ökologischen Landbau (IföL) an der BOKU und seit mehr als 25 Jahren lebt die Bio-Bewegung von der Initiative einzelner Studierender1, die sich dafür einsetzen. Nicht mehr und nicht weniger hat auch zur institutionalisierten Anerkennung des IföL an der BOKU geführt. Die Universität für Ökologische Agrarwissenschaften Kassel hat eine ähnlich bewegte Geschichte – im Jahr 2005 kam ein neuer Meilenstein hinzu: Die europaweit erste Professur für biologisch-dynamische Landwirtschaft.


Kleine Forschungsgeschichte2 des bio-dyn Landbaus


Seit der Begründung der bio-dyn Wirtschaftsweise im Jahr 1924 gibt es eine Reihe von Arbeiten, Dissertationen und sogar Habilitationen auf diesem Gebiet. Die Uni Hohenheim stellt im Jahr 1973 eine ihrer Versuchswirtschaften auf bio-dyn um und in Gießen wird die erste Dissertation zu einer bio-dyn Fragestellung angenommen.


Im Jahr 1978 startet die Landwirtschaftskammer Rheinland mit der Universität Bonn und dem Forschungsring den Langzeitversuch "Betriebsvergleich dynamisch/organisch/konventionell", kurz DOK-Versuch genannt, auf dem Boschheide-Hof im Rheinland, der die Humusaufbau fördernde Wirkung der Präparate nachweist.


1994 schließt Dr. Hartmut Spieß, Mitarbeiter des "Institut für biologisch-dynamische Forschung (IBDF)" am Dottenfelder-Hof, die erste Habilitation über ein biologisch-dynamisches Thema, die Mond-Rhythmen, ab.


Im Jahr 2005 wird die nächste gläserne Decke durchbrochen: Die Außenstelle der Universität Kassel, wo 1981 die erste Professur für Ökologische Landwirtschaft in ganz Deutschland eingerichtet wird und 1996 – zeitgleich mit der Institutsgründung in Wien – der erste gleichnamige Diplomstudiengang, nimmt international eine Vorreiterrolle in Sachen Ökolandbau ein.Hier stellt Ton Baars, habilitierter Biologe[5], seit 2005 – nicht unumstritten – eine Stiftungsprofessur für biologisch-dynamische Landwirtschaft.


„Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise hat mit ihrem grundlegenden Ansatz bei der Ideenentwicklung des Ökologischen Landbaus immer wieder eine Vorreiterrolle eingenommen", begründet Cornelia Roeckl von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft das Engagment für diese Stiftung.


Die BOKU holt auf!


Mit ähnlichen Worten begrüßte auch Bernhard Freyer die knapp 30 HörerInnen des ersten Vortragsnachmittags im Oktober 2008.

„Die biologisch dynamische Wirtschaftsweise praktiziert es innerhalb der Bio-Bewegung am weitestgehendsten sich in ihrer ganzen Breite in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu setzen und über die eigentliche Produktion hinaus zu reflektieren - über die Grenzen der Landwirtschaft hinaus.“ (Freyer 2008, Eröffnungsworte)

Wie so oft in der Geschichte des Ökologischen Landbaus war es auch hier der Wunsch von Studierenden, der gemeinsam mit der Zielstrebigkeit von Waltraud Neuper diese Vortragsreihe möglich gemacht hat. Wie in Witzenhausen wird die Umsetzung zunächst auch von einer Stiftung3 ermöglicht, die von bio-dyn wirtschaftenden Betrieben und Verarbeitern getragen wird.


Das Vorlesungsseminar ist als Einführung gedacht, es werden die Hauptthemen des biologisch-dynamischen Landbaus überblicksmäßig vorgestellt. Phänomenologie und Kosmische Rythmen, biologisch-dynamische Tier- und Pflanzenzüchtung, Kompostierung und Düngung werden in den Kontext der Universität gebracht und damit einer umfassenden Kritikmöglichkeit ausgesetzt.


Die soziale Frage bleibt dabei vom ersten Vortrag an das Bindeglied – schließlich geht der Trend auch in der österreichischen Landwirtschaft seit Jahrzehnten immer mehr in Richtung Spezialisierung und Wachstum. Bäuerliche Betriebe, die sich der Biodiversität und Vielfalt am Betrieb verschrieben haben, wie das bei den meisten bio-dyn Betrieben der Fall ist, sehen sich zunehmend einer wirtschaftlichen Bedrängtheit ausgesetzt.


Das Was bedenke – mehr bedenke Wie!


Mit diesem Goethe-Zitat eröffnete Waltraud Neuper, selbst Demeter-Bäuerin und Magistra der Philosophie, die Vorlesungsreihe und umreißt damit sowohl den Grundgedanken der bio-dyn Wirtschaftsweise, als auch den interaktiven Charakter der Lehrveranstaltung.


Anhand der regen Diskussionen die sich am Ende der Lehrveranstaltungen abzeichnen und der Reaktionen der Vortragenden und von Waltraud Neuper wird klar: Das offene Konzept geht auf! Getragen von konstruktiven Rückmeldungen nach den Vorträgen und nach der vertiefenden Arbeit in den Seminargruppen, die einzelne Vorträge für den Sammelband aufbereiteten, entstanden wertvolle Grundlagen für die Folgeveranstaltung im kommenden Wintersemester.


Das relativ dichte Programm wird aufgelockert und der Praxisbezug erhöht: „Wir werden versuchen den Schwerpunkt noch stärker auf die Diskussionsmöglichkeit zu legen und nur noch einen Vortrag pro Einheit bringen. Darüber hinaus wird die Vertiefung der praktischen Arbeit in den Vordergrund gerückt werden: Wie werden die Präparate hergestellt, was sind die Voraussetzungen für eine wirksame Anwendung und so weiter. Im Sommersemester wird es dann Exkursionen geben.“ umreißt Waltraud Neuper das erweiterte Konzept.


Brückenbau zwischen Theorie und Praxis


Die Lehrveranstaltung an der BOKU ist nur eine Facette der biologisch-dynamischen Ausbildung, die derzeit in Österreich und Slowenien aufgebaut wird.

Auf Betriebsebene finden nun sowohl in Niederösterreich (Rosenburg) als auch in Kärnten (Wurtzerhof) regelmäßige Vernetzungstreffen statt, bei denen der fachliche Austausch im Mittelpunkt steht.


Ziel ist es innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Lehrbetriebenetz aufzubauen, das das Grundgerüst der neuen, freien Ausbildung darstellen wird. Nach dem Beispiel von ähnlichen Ausbildungsprogrammen wie sie in Hessen, am Bodensee und in Norddeutschland schon seit mehreren Jahrzehnten bestehen werden auch regelmäßig Kurse angeboten, die für die Lehrlinge verpflichtend und für alle Interessierten und PraktikerInnen offen sind.


Der Hauptunterschied zur konventionellen landwirtschaftlichen Ausbildung

liegt in der Schwerpunktsetzung. Hier steht das Erfahrungswissen von Bäuerinnen und Bauern im Vordergrund der Vermittlung – neueste wissenschaftliche Erkenntnisse werden über Fachvorträge und Seminare, die vornehmlich in den Wintermonaten stattfinden, hineingenommen.

Hier bestehen auf universitärer Ebene Abkommen mit der Uni Marburg und der BOKU, die Vortragenden sind international und kommen zu einem großen Teil aus Deutschland und der Schweiz.


Mehr zu der biologisch-dynamischen Ausbildung auf http://www.demeter.at/ausbildung.


Erwachen aus dem Dornröschenschlaf


Der Demeterbund in Deutschland hat in vielen Belangen dem österreichischen kleinen Bruder einiges voraus. Was die Reichweite der Produkte und die Professionalität der Ausbildung belangt – in Österreich hat sich in den 80 Jahren seit Gründung des Demeter-Bundes lange nicht so viel getan. Umso größer ist die Zielstrebigkeit mit der nun vorhandene Synergien gesucht und bestehendes Potential ausfindig gemacht werden. Eine interessante Entwicklung, die wir wohl an der BOKU noch länger mitverfolgen werden!


Die Sammelbände zur Vortragsreihe werden ab Ende Mai im Sekretariat des IföL gegen einen Umkostenbeitrag von drei Euro abzuholen sein.



[1] Unter vielen anderen hat zum Beispiel Thomas Lindental (Dr.) als Student die Gründung des IföL maßgeblich mitbegründet. Derzeit arbeitet er am Forschungs Institut für Biologischen Landbau (FIBL) in Wien.


[2] Mehr zur Geschichte der biologisch-dynamischen Bewegung unter www.demeter.net.


[3] StiftungspartnerInnen: Fa. Weleda, Wurzerhof (Ktn), Edlerhof (Stmk), Hr. Rosen, Lackner&Lackner

Keine Kommentare: